Ich fotografiere schon viele Jahre lang und bin es gewohnt, dass ich unterwegs angesprochen werde. Sei es wegen des Größenverhältnisses Kamera vs. Fotografin, sei es wegen meiner untypischen roten Haare oder auch wegen des Motivs, das ich in diesem Moment ablichten möchte. Meistens seid ihr dabei sehr achtsam. Ihr versucht zu warten, bis ich meine Fotos gemacht habe, vielleicht gerade eine Pause einlege oder dergleichen. Außerdem versucht ihr mir nicht durchs Bild zu laufen. Das spricht für euch. Vor allem für die Zuschauer, die mit Fotografie normalerweise nichts am Hut haben. Dafür erstmal ein großes Danke! Dann habe ich aber auch noch eine Bitte. Diese gilt in erster Linie den männlichen Fotografiekollegen.
Damit ihr gleich versteht, worum es mir geht, möchte ich euch eine Situation beschreiben, die mir gestern im Landschaftspark Duisburg-Nord widerfahren ist. Es war schon reichlich spät, etwa kurz vor 23 Uhr. Es war dunkel. Lediglich die Lichtinstallation des Landschaftsparks und die Lichtverschmutzung Duisburgs spendeten spärliches Licht. Als ich allein über den Bunkersteg Richtung Hochofen 5 laufe, komme ich auf eine Plattform. Dort stehen und knien fünf oder sechs Fotografen. Alle in unterschiedlichen Stadien des Fotografierens. Ich grüßte und entschuldigte mich fürs durchs Bild laufen – leider hab ich die Herren erst gesehen, als ich quasi schon mitten im Bild war. Dann suchte ich mir auf dem weiteren Verlauf des Bunkerstegs eine Position um nun ebenfalls ein Foto zu machen. Ich bin, wie immer, hochkonzentriert; da ich ohne Stativ unterwegs war, auch noch körperlich angespannt, auf Grund der relativ langen Verschlusszeiten. Da werde ich aus dem Nichts und ohne Vorwarnung angesprochen. Ich erschrecke zu Tode (wir erinnern uns: Der Hochofen und alles, was dort hinführt, ist hoch! Und dieser Bunkersteg ist teilweise aus Gitterrost) und fahre herum. Da steht ein mir fremder Mann in meinem inneren Bereich. Ich kann regelrecht seinen Atem auf meinem Hals spüren, so nah ist er mir. Ich mache einen Satz nach hinten. Doch da ist das Geländer. Ich komme nicht weg und nicht weiter. Mein erster Impuls: Flucht. Und nein, ich bin kein ängstlicher Mensch. Aber das war völlig abrupt und ohne Vorwarnung. Ich höre das Blut in meinen Ohren rauschen, die Hand, die die Kamera hält, zittert – ehrlich gesagt zittere ich komplett – und kann kaum einen klaren Gedanken fassen, geschweige denn mich daran erinnern, was der Mann zu mir gesagt hatte. Er wiederholte seine Frage, ob ich gerade frei Hand fotografieren würde. Es dauerte einen Moment, bis die Frage in mein Gehirn vorgedrungen war. Leider fehlte mir jegliche Schlagfertigkeit, denn sofort war ich umringt, von allen Fotografen, die – bis auf einer – immer näher kamen und mich ausfragten. Ich konnte gar nicht so schnell reagieren oder antworten. Der letzte der Fotografen bat dann seine Kollegen etwas zurück zu treten. Er gab mir Luft zum Atmen und zum Denken.
Die Herren waren etwas enttäuscht, dass es von mir keine adäquaten Antworten gab. Ich war einfach nicht im Stande dazu. Die Situation hat mich völlig überfordert. Damit kommen wir zu meiner Bitte: Versetzt euch in meine Lage. Da laufe ich, als zierliche, kleine Frau, allein im Dunkeln über ein Industriegelände. Fünf oder sechs Männer umzingeln mich, weil sie neugierig sind. Diese ganze Situation hätte etwas anders ablaufen können, wenn sie Abstand gehalten hätten, nicht alle gleichzeitig auf mich zugekommen wären und vielleicht nicht in meinem direkten Bereich gestanden hätten. Ich rede gerne mit Kollegen. Ich tausche mich auch gerne aus. Das macht mir Spaß. Aber immer in einem sicheren Rahmen. Ihr könnt mir diesen sicheren Rahmen auch bei Nacht geben, wenn ihr einfach ein wenig Abstand haltet und mich vorwarnt, anstatt mir direkt im Nacken zu sitzen.
Außerdem solltet ihr nicht urteilen. Ihr wisst nicht, was ich mit meinen Bildern vorhabe, warum ich so fotografiere, wie ich fotografiere, oder dergleichen. Lasst also eure herablassenden Blicke oder gar Kommentare. Dann ist jedem geholfen. Vielen Dank!